Thesen *
Privatisierung des Volkseigentums ist ein schwieriges Unterfangen
- Die deutsche Wiedervereinigung ist transformationspolitisch als Sonderfall anzusehen, weil die Bürger der DDR nach der Grenzöffnung 1989 immer die Möglichkeit der Abwanderung in die Bundesrepublik besaßen, in der sie Deutsche im Sinne des Grundgesetzes waren. Unter diesen Umständen kam es zu der schnellen Währungsunion, mit einschneidenden negativen Folgen für die Wirtschaft der DDR und zur Bildung der Treuhand-Gesellschaft, um das Volkseigentum der DDR zu privatisieren.
- Die Privatisierungsstrategie der Treuhand bedeutete, in Kombination mit den ökonomischen Rahmenbedingungen, eine Schocktherapie für die DDR-Wirtschaft, die ein Großteil der volkseigenen Betriebe nicht überlebte. Im Vergleich zu Privatisierungen in anderen osteuropäischen Ländern fand der Verkauf des Volkseigentums in Ostdeutschland ohne Beteiligung der Bürger statt; ostdeutsche Interessenten wurden systematisch benachteiligt und nur mit Verspätung gab es industriepolitische Steuerungsversuche, um Standorte aus übergeordneten Erwägungen zu halten, stattdessen wurden oftmals Betriebe von westdeutschen Investoren übernommen, um sie zu schließen und keine ostdeutsche Konkurrenz aufzubauen.
- Die sozialen Folgen der wirtschaftlichen Transformation Ostdeutschlands konnten nur durch enorme Sozialtransferleistungen ausgeglichen werden. Auf der mentalen Ebene führte die Tätigkeit der Treuhand zu einem starken Vertrauensverlust in der ostdeutschen Bevölkerung, von der häufig die Privatisierung der volkseigenen Betriebe bis heute als Beispiel für westdeutsche Überheblichkeit und Bevormundung angesehen wird.
- Die jeweiligen Privatisierungsstrategien in den ehemals sozialistischen Ländern haben zu differenten Eigentums- und Wirtschaftsstrukturen geführt. In Ostdeutschland fehlen starke industrielle Kerne, es dominieren kleinere Betriebe, die zum großen Teil in einem kleinen Zeitfenster Anfang der 1990er Jahre entstanden. Zwar wird dieser industrielle Mittelstand zu ungefähr zwei Dritteln von Ostdeutschen geleitet, doch es handelt sich häufig um Minderheitseigentümer. Stärker kontrollierte Privatisierung hat hingegen in anderen osteuropäischen Ländern zu oligarchischen Strukturen oder zu einem Fortbestand von Betrieben im staatlichen Eigentum geführt. Auch lassen sich dependent market economies beobachten, in denen der Einfluss ausländischen Kapitals sehr stark ist.
Für eine angestrebte koreanische Wiedervereinigung lassen sich aus unseren Erkenntnissen folgende Schlüsse ziehen. - Privatisierungsstrategien sollten, wenn möglich, gut geplant werden. Eine frühzeitige und umfassende Folgenabschätzung wäre empfehlenswert. Dabei sollten auch Aspekte wie Beteiligung der Bürger, nachvollziehbare Kriterien für die Auswahl der Kaufinteressenten und die Berücksichtigung übergeordneter Erwägungen eine Rolle spielen. Wie das ostdeutsche Beispiel zeigt, können durch hastige Privatisierungen kaum die prognostizierten Erlöse realisiert werden. Stattdessen lassen sich erhebliche wirtschaftliche Verwerfungen und tief greifende Vertrauensverluste in der betroffenen Bevölkerung beobachten.
Genese der Erkenntnisse im Sonderforschungsbereich 580 *
Die oben stehenden Thesen gehen auf das folgende Forschungsprojekt innerhalb des
Sonderforschungsbereiches 580 zurück: