Dezentralisierung

Thesen *

Dezentrale Politik und Verwaltung sind in Transformationsprozessen von Vorteil!

  1. Nach unserer Auffassung bezeichnet Dezentralisierung ein verfassungsmäßiges Ausmaß an regionaler oder lokaler Autonomie. Somit ist Dezentralisierung weder mit föderalen Strukturen an sich noch zwangsläufig mit dem deutschen Verbundföderalismus gleichzusetzen. Das bedeutet, verschiedene Modelle von Dezentralisierung sind möglich! Selbst in zentralistischen Staaten wie Frankreich oder Großbritannien haben sich dezentrale Strukturen herausgebildet.
  2. Grundsätzlich gelten dezentrale Institutionenordnungen als vorteilhaft. Zahlreiche Studien belegen, dass sie die öffentliche Daseinsvorsorge optimieren und die Arenen demokratischer Partizipation erweitern. Dezentrale Entscheidungsstrukturen sind demnach wichtige Treiber in Demokratisierungsprozessen. Dafür ist es unerlässlich, die untergeordneten Ebenen zu demokratisieren und angemessen mit selbständigen Kompetenzen auszustatten. Die Transformation Ostdeutschlands wurde durch die demokratische Neuordnung und die wiedergewonnene Autonomie der kommunalen Politik und Verwaltung wesentlich befördert und abgesichert.
  3. Im Zuge des Institutionentransfers wurde das bundesdeutsche Modell von „strong local government“ auf ostdeutsche Kommunen übertragen. Es entwickelten sich jedoch flexible Anpassungsstrategien und innovative Praxen. Diese Modifikationen erhöhten die Akzeptanz der neuen Institutionenordnung und setzten sich in ihrer direktdemokratischen Ausrichtung vom westdeutschen Ursprungsmodell ab.
  4. Davon angeregt wurden nun auch in die Kommunalverfassungen der westdeutschen Bundesländer direktdemokratische Elemente aufgenommen und die lokale Selbstregierung in Deutschland vereinheitlicht. Derartige Anpassungen, bei denen Reformen auch auf die ursprünglichen Institutionen zurückwirken, bezeichnen wir als „doppelte Transformation“.
    Für eine angestrebte koreanische Wiedervereinigung lassen sich aus unseren Erkenntnissen folgende Schlüsse ziehen:
  5. Eine koreanische Wiedervereinigung setzt weder die Übernahme des bundesdeutschen Föderalismus noch die generelle Einführung föderaler Strukturen voraus. Eine notwendige Voraussetzung für die Wiedervereinigung ist jedoch eine Demokratisierung Nordkoreas, die durch die Einführung dezentraler Entscheidungsstrukturen legitimiert und abgesichert werden kann, weil dezentrale Strukturen die Akzeptanz und die Effizienz in Transformationsprozessen generell erhöhen.
  6. Die „doppelte Transformation“ in Deutschland lässt erwarten, dass ein Institutionentransfer von Süd- nach Nordkorea auch in Nordkorea zu flexiblen und innovativen Anpassungen und Modifikationen der Institutionenordnung führen wird. Diese werden auf Südkorea zurückwirken und könnten ihrerseits Anreize für die derzeitigen Verwaltungsreformen in der Republik Korea bieten.

Genese der Erkenntnisse im Sonderforschungsbereich 580 *

Die oben stehenden Thesen gehen auf folgende Forschungsprojekte innerhalb des Sonderforschungsbereiches 580 zurück:

  • Lokale politisch-administrative Eliten (Teilprojekt A4)
  • Kommunale Wählergemeinschaften als hybride politische Akteure (Teilprojekt A6)
  • Demographischer Wandel und Arbeitsmarkt des öffentlichen Sektors (Teilprojekt B8)